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Gewitter und Blitzschlag am unteren Grindelwaldgletscher, 1774 - 1775
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- Öl auf Leinwand
- Bildmass: 54 x 82 cm
- Inv.-Nr. 242
- Aargauer Kunsthaus Aarau
- Ein wichtiger Schwerpunkt der Sammlung des Aargauer Kunsthauses bildet die umfangreiche Werkgruppe von Caspar Wolf (1735–1783). Sie lässt uns die Entwicklung der Malerei von der Aufklärung bis zur Moderne anhand eines für die Schweiz typischen Motivs nachvollziehen: Die Darstellung des Bergs erschliesst sich im Aargauer Kunsthaus ausgehend von Caspar Wolf über die heroischen Landschaften Alexandre Calames (1810–1864) und François Didays (1802–1877) bis zu Ferdinand Hodler (1853–1918).
Die Augen brauchen einen Moment, um Details in dem von dunklen Tönen dominierten Gemälde zu erkennen. Im Bildvordergrund türmen sich die grünlich gefärbten, zerklüfteten Eismassen des Grindelwaldgletschers auf. Die Stimmung und der düstere Himmel lassen auf ein Gewitter schliessen. Einzig eine Öffnung der Wolkendecke im oberen rechten Bildrand, aus der ein Blitz auf die Erde niederschlägt, erhellt die Szenerie. Der Blitzschlag schreckt eine Gruppe von Tieren auf, die Schutz suchend davonstieben.
Wolf gilt in der Schweizer Kunst zu Recht als Pionier der Darstellung von Hochgebirgen in vorromantischer Aufklärungszeit. Der 1749 begonnenen Lehre als Dekorationsmaler in Konstanz folgen Lehr- und Wanderjahre in Süddeutschland. Danach kehrt Wolf in seine Heimat zurück, und nach diversen Aufträgen im Bereich der Dekorations-, Ofen- und Tapetenmalerei wendet er sich der Landschaftsmalerei zu. Die ersten Werke, die er 1768 und 1769 in Basel malt, sind deutlich dem süddeutschen Rokoko verpflichtet. Die Zeit von 1769 bis 1771 verbringt Wolf in Paris, wo die beiden bekanntesten zeitgenössischen Landschaftsmaler Philippe Jacques de Loutherbourg (1740–1812) und Claude-Joseph Vernet (1714–1789) seine endgültige Hinwendung zur Landschaftsmalerei bewirken. Zurück in der Schweiz tastet er sich an die möglichst naturgetreue Darstellung der Berglandschaft heran. 1773 unternimmt er die ersten Wanderungen im Gebirge. Im Gegensatz zu den Alpenmalern vor ihm wagt sich Wolf in die Berge, um vor Ort einen Eindruck seiner Motive zu gewinnen.
Mit dem vorliegenden Werk lässt sich eine Verbindung zum damals in Mode kommenden Ausdruck des Erhabenen schlagen. Das dargestellte Naturschauspiel mit seiner dramatischen Beleuchtung löst beim Betrachter Erstaunen aus, das von Ehrfurcht und Schrecken begleitet wird. Wolf nimmt zeitgenössische Theorien auf: Der von seinem Generationsgenossen Edmund Burke (1729–1797) geprägte und von Denis Diderot (1713–1784) in der Besprechung des Salons 1767 diskutierte Begriff des Sublimen weist auf eine neu ausgerichtete Wahrnehmung der Natur hin, und Wolf entdeckt die künstlerischen Möglichkeiten, die in den Gebirgslandschaften seiner Heimat liegen.
Karoliina Elmer